Ich hab eine neue Familie gefunden. Sie ist so unfassbar lieb, dass ich hier gerne noch meine letzten Monate verbringen würde. Aber leider muss ich ja wegen meines Praktikums am Donnerstag nach Quito. Aber Trübsalblasen kann ich auch noch in ein paar Tagen. Jetzt genieße ich erst mal die Zeit mit meiner neuen Familie “Del Castillo”.

Als ich heute Morgen in diesem wunderbaren Haus im Stadtviertel “Surco” angekommen bin, wusste ich nur die Hausstraße mit Nummer und den Namen der Gastgeberin Mili. Den Kontakt zu dieser unglaublich lieben peruanischen Familie habe ich von einem Geschäftspartner meines Vaters bekommen. Von dessen Erzählungen konnte ich nur daraus schließen, dass das Haus umwerfend sein soll, genauso wie die Familien an sich. Nach dem ersten Tag hier kann ich den Berichten nur mehr als zustimmen. Ich hab mich noch nie so willkommen gefühlt wie hier. Und das, obwohl sie mich nicht kennen.

Aber jetzt erst mal von vorne. Bis ich am Haus 2183 in Surco mit dem Taxi ankam, verging locker 1 Stunde. Eigentlich sollte man für den Weg von meiner Unterkunft in Miraflores bis nach Surco höchstens 20 Minuten brauchen. Ein Marathon, beziehungsweise Lauf machte mir jedoch ein Strich durch die Rechnung. Alle Hauptstraßen waren gesperrt, so dass der Taxifahrer absolut keinen Weg bis nach Surco fand. Irgendwann kam er jedoch auf die Idee über die Autobahn von hinten nach Surco reinzufahren. Das hätte er sich auch echt mal früh überlegen können, dann wäre ich jetzt noch ein paar Münzen reicher. Aber egal, ich war einfach nur froh endlich am Ziel zu sein. Den Preis konnte ich auch zum Glück noch ein bisschen runterhandeln.

Ich war schon ganz aufgeregt, als ich den Klingelknopf drückte. Ich hatte mir Mili in Gedanken verschiedenst ausgemalt, aber als ihr Mann mir dann die Tür öffnete und sie mit offenen Armen auf mich zu gerannt kam, stand eine komplett andere Person von mir. Lange dunkle Haare, super modern gekleidet und ein so strahlendes Lächeln, dass man sich schon gleich wie Zuhause fühlt. Ich hab Mili jetzt schon ganz fest in mein Herz geschlossen. Ihr Mann ist auch so unglaublich lieb. Zusammen haben sie drei Kinder, die neunjährige Fabi, die 16-jährige, gerade Abi machende Lucía und den 14-jährigen Daniel. Alle drei sind auf einer deutschen Schule, weswegen der Abschluss von Lucía auch Sinn macht. Fast alle waren noch im Schlafanzug, es ist ja schließlich Sonntag und saßen noch am Frühstückstisch. Ich war gleich im siebten Himmel, als ich eine riesige Schale voller frischer Ananasstückchen sah. Mir wurde auch gleich ein eigener Teller hingestellt, so dass ich mein zweites Frühstück genießen konnte.

Nachdem wir uns alle ein bisschen kennen gelernt hatten, machten sich die vier schnell fertig (bis jetzt hatte ich noch nicht die Ehre mit Daniel die Bekanntschaft zu machen, da er noch bei seinen Cousins ein wenig die Zeit verbringt). Im Auto machten wir uns auf den Weg ins Bohèhme Viertel “Barranco”. Dort haben wir vom Hauptplatz aus eine Brücke überquert, sind an die Küste und am Wasser hin und her gelaufen. Diesmal war keine Klippe mehr dazwischen. Der Himmel war wie die beiden Tage davor komplett mit Wolken bedeckt. Laut meines Gastvaters Manuel ist das immer so im Herbst, beziehungsweise sich gerade nähernden Winter. Barranco ist ein tolles Viertel: viel Graffiti, alter Häuser mit wunderschönen Balkons, alles bunt, an jeder Straße gibt es niedliche Cafés und eben die Küste. Obwohl die beiden Mädchen diese ganzen Spots schon bestimmt 100tert Mal gesehen haben, meckerten sie überhaupt nicht rum, sondern liefen ganz fröhlich mit. Echt bewundernswert. Ich weiß nicht wie hoch meine Motivation, beziehungsweise die von meinem Bruder Lennart gewesen wäre, wenn wir zum 100.000ten Mal die gleiche Strecke an der Isar hätten entlang laufen müssten. Nach dem kleinen Spaziergang habe ich mit Mili und Lucía kurz einen Abstecher in das “Museo Mario Testino” (MATE) gemacht. Den Modefans unter euch sagt der Name “Testino” bestimmt etwas. Er ist ein renommierter Mode- und Portraitfotograf. Seine Fotografien werden weltweit in Magazinen wie der Vogue, V Magazine und Vanity Fair veröffentlicht. Zu seinem Portraitikonen zählen unter anderem Kate Moss, Cara Delevingne, die Prinzessin Diana de Gales, Madonna und Blake Lively. Seine Fotografien sind wirklich unheimlich kreativ und blickanziehend. Besonders gut hat mich jedoch seine temporäre Ausstellungen “Alta Moda” angesprochen, in der es um die traditionelle Kleidung der Andenbewohner in Cusco ging. Hierfür wurden die wunderschön gekleideten “Andenmodels” vor einem dezent bedruckten Tuch positioniert und fotografiert. Die Bilder sind einfach nur der Wahnsinn. Wenn euch diese Fotografien mehr interessieren, müsst ihr einfach nur in Google “Alta Moda” zusammen mit Testino ein tippen und es sollte diese Serie ausgespuckt werden.

Während wir drei ein bisschen in die peruanische Kultur eingetauchten, ist Manuel mit der kleinen Fabi ein Eis essen gegangen, denn sie war genauso wie die anderen beiden schon in der Ausstellung hatte jedoch, verständlicherweise, keine Lust ein zweites Mal hinein zu gehen.

Wieder vereint fuhren wir dann ein bisschen weiter an der Küste entlang zu einem genialen Fischrestaurant direkt am Wasser. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so spitze gegessen habe. Das muss Monate her sein. Wir bestellten mehrere “Piqueos” die wir untereinander aufteilten. Das sind eigentlich nur kleine Häppchen, die dort aber richtig groß waren und unheimlich lecker. Unter anderem gab es Ceviche, roher Fisch in der so genannten Tigersoße, Octopus, Scampies, Fischspieße, eine Art peruanisches Sushi, Hähnchen in Gemüsereis und Lammcurry. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu Staunen. Das Essen war mal wieder schneller weg als uns lieb war. Aber mehr hätte mein Magen auch wirklich nicht mehr gepackt. Für den Nachtisch sind wir dann in ein anderes Fischrestaurant gefahren, welches eigentlich ihr Stammlokal ist. Sie wollten mir so viele Plätze wie möglich zeigen. Dieses sah nun aus wie ein kleines Schloss aus Disneyland. Es stand auf Stelzen wie in Venedig über den Pazifik. Zuerst wurde uns nur die Kinderkarte gebracht auf der nur drei Nachtisch zu finden waren. Alle waren komplett enttäuscht bis sich das Missverständnis aufgeklärt hatte. Ich bestellte ein Nachtisch der hauptsächlich aus der peruanischen Frucht “Chirimoya” bestand. Es war mal wieder unglaublich lecker. Heute war ich einfach nur im Essensparadies.

Alle vier sind si unglaublich herzlich zu mir, dass ich mich wie Zuhause fühle. Es ist auch mal wieder echt schön in einer Familie aufgehoben zu sein, auch wenn es nicht meine ist.