Jetzt wurde es aber auch echt mal Zeit, dass ich Quito erkundete. Heute war ja auch mein letzter freier Wochentag, bevor mein Praktikum startet. Da Montag ist, konnte ich um 11:00 Uhr auf dem “Plaza Grande” den wöchentlichen Wachenwechsel vor dem Präsidentenpalast erleben. Dafür musste ich jedoch erst wieder mit dem Bus ins Centro Histórico. Das ist jedoch nicht so umständlich, da ich diesmal nicht wie am Freitag ganz tief in den Norden, sondern einfach in den Süden musste. Quito hat echt ein Vorteil, dass es so extrem schlank und lang ist. Die Stadt ist ungefähr 60 km lang und nur 8 km breit. Das liegt daran, dass das Tal zwischen den beiden Andenketten, in denen Quito liegt, so extrem dünn ist. Hier hat die Natur nun den Baukünsten des Menschen natürliche Grenzen gesetzt.

Also, wenn ich in den Wolken wohnen würde, wäre ich da definitiv raus gefallen. Denn als ich auf dem Platz ankam konnte ich meinen Augen nicht trauen. Er war gerammelt voll bis in jede kleine Ecke hinein. Ich hätte meinen können da gab’s etwas umsonst. Aber nein, es waren alle nur für diesen Wachenwechsel gekommen. Wie ich im Nachhinein erfuhr, hat heute zum ersten Mal, der sich seit dem 24. Mai im Amt befindende Präsident “Lenín Moreno”, den Wachenwechsel dirigiert. Das heißt er ist selber mit all seinen neuen Ministerpräsidenten auf dem Balkon des Palastes erschienen und hat seinem Volk ganz wild zu gewunken. Den Präsidenten kann man auch ganz leicht in den ganzen Menschenmassen erkennen, auch wenn man ihn noch nie gesehen hat, so wie ich, da er in einem Rollstuhl sitzt. In den neunziger Jahren wurde er Opfer eines Raubüberfalls und dabei schwer verletzt.

Es war sogar eine Schule eingeladen die ganz vorne in der ersten Reihe einen Sonderplatz bekam. Ich fragte mich, ob das hier immer so voll sei. Laut meines Stehnachbarn schon. Punkt 11:00 Uhr startete die Zeremonie und dauerte genau 30 Minuten. Es wurde die Hymne gesungen, Pferde in Reih und Glied aufgestellt und direkt neben mir, fast ganz vorne, bejubelten ein paar Frauen wie verrückt den Präsidenten: “Lenín Moreno cuatro años más!” (Lenín Moreno noch vier Jahre länger). Generell scheint das Volk wie fast überall auf der Welt jedoch ziemlich gespalten zu sein. Lenín, ein Sozialist hat nur um 2 % gegen seinen Gegner, Besitzer der zwei größten Bank Ecuadors “Banco de Guayaquil” gewonnen.

Die Uniformen der Wachen waren wunderschön. Sie waren in den Farben des ehemaligen “Gran Colombia” (heute: Panama, Venezuela, Columbien, Ecuador) gehalten.

Nach dieser schönen Veranstaltung, die ich wirklich nur empfehlen kann, denn sie ist mit Abstand der beste Wachenwechsel den ich bis jetzt in Südamerika erlebt habe, bin ich auf die Suche nach einem schönen Kaffeeplätzchen gegangen. Den hab ich dann auch unweit vom Plaza Grande entdeckt. Hier musste ich mich erstmal stundenlang ausruhen.

Dort habe ich dann drauf gewartet, dass es endlich 14:30 Uhr wurde. Um diese Uhrzeit sollte nämlich eine Freewalking Tour durch Quito starten. Die wollte ich unbedingt machen, um ein bisschen Orientierung zu bekommen. Weil bis jetzt war ich noch ein hoffnungsloser Fall. Trotz Stadtplan. Die Tour war auf jeden Fall super. Jetzt weiß ich wenigstens wo ungefähr was liegt. Leider ging das ganze drei und halb Stunden lang. Dementsprechend fertig war ich, als der Guide uns endlich entließ. Ich flitzte nach Hause, was mal wieder doch nicht so schnell ging, da ich erst in den Bus steigen musste, um noch schnell einen Happen zu essen. Ich wollte mich nämlich noch mit Andi und seinen Besuchern aus Deutschland in einer Bar treffen. Hätte ich jedoch gewusst, dass wir uns nicht mehr zu Hause, sondern wieder unten in der Stadt treffen, wäre ich nicht noch zurückgefahren. Aber jetzt war es schon zu spät. Tobi, ein angehender Priester der mich morgen in mein Praktikum einführen wird, ist auch mitgekommen. Wir sind alle in die “Ronda”. Das ist eine ganz schmale Straße gesäumt mit bunten Kolonialgebäuden. Hier sieht man nun extrem den spanischen Einfluss. Die Ronda ist Quito’s Bohème-Viertel. Früher war die Straße das Heim  von Künstlern, Schriftstellern und Politikern. Heute reiht sich ein Restaurant, Café und Shop nehmen das/den andere/n. Also wenn man ausgeht, dann definitiv da hin.

Der Abend war so extrem lustig, da einer der Freunde von Andi bereits seit sechs Jahren ein Priester ist und so einen schwarzen Humor hat, dass ich jetzt noch Bauchkrämpfe habe. Also wenn man ihn den Erzbischof Marx nachmachen lässt, dann ist es echt aus und vorbei. Ich würde jetzt sehr gerne ein oder zwei Geschichten von den lieben Erzbischof erzählen, aber da das Ganze ja dann im Internet steht, so irgendwo aufploppen könnte und Marx darüber jetzt bestimmt nicht so begeistert wäre, erzähl ich das lieber dann mal persönlich. Da der Priester Lars ja noch nicht genug war, tranken wir alle zusammen “Canelazo”, ein warmes Andengetränk aus Zimt, Vanille, Apfel, Aguardiente und viel Zucker. Also, dass die ganzen Südamerikaner noch nicht an Zuckerschock gestorben sind, wundert mich bis heute noch.