Uiuiui, was für ein anstrengender Tag. Aber auch der beste den ich bisher in Südamerika hatte. Denn heute ging’s mit dem Mountainbike die weltgefährlichste Straße, auch bekannt als “The Death Road”, hinunter. Dieser Trip stand definitiv auf meinem Pflichtprogramm. Denn sobald man nur das Wort Bolivien erwähnt, fällt sofort diese Mountainbiketour. Ich war mir zwar nicht ganz sicher, ob das so ganz meins ist, da ich zwar schon gerne Fahrrad fahre, aber jetzt nicht unbedingt hobbymäßig durch die Berge cruise. Aber ich kann schonmal im Vorneherein sagen ich hatte den Spaß meines Lebens. Das lag wohl nicht nur an der Strecke an sich, sondern auch an der Agentur “GRAVITY”. Aber jetzt erstmal von vorne.
Um 7:30 Uhr haben wir uns im “Café Café del Mundo” getroffen. Dort bekamen wir die Möglichkeit uns etwas zu Essen zu schnappen. Wir waren zum Glück nur fünf Personen, also eine sehr kleine Gruppe. Zusammen kletterten wir in den kleinen weißen Van der schon draußen, mit unseren Mountainbikes bepackt, auf uns wartete. Uns fünf begleiteten drei Einheimische: Noel der Hauptguide, der genial englisch spricht (die ganze Tour war zur Einfachheit auf Englisch) und ein unglaublich zuverlässiger Typ ist; Rodrigez der immer das Schlusslicht bilden würde; und unser unglaublich erfahrener und lieber Driver dessen Namen leider so kompliziert ist, dass ich mich nicht mehr an ihn erinnern kann. Jetzt ging’s erst mal für ungefähr 1 Stunde aus La Paz raus in Richtung “La Cumbre” auf 4700 m, wo unsere Mountainbiketour begann. Ich muss sagen ich hatte mal wieder geniales Glück mit dem Wetter: wolkenloser Himmel, kein Wind und strahlende Sonne. Also bis jetzt habe ich auf meiner Reise Südamerika nur von der besten Seite kennengelernt, auch, wenn es zwischendurch ein bisschen zu kalt für meinen Geschmack war. Diese Stunde nutzte Noel, um uns den Ablauf des Tages zu erklären, dies und das über die Landschaft zu erzählen und uns schonmal ein paar Sicherheitshinweise zu geben. Oben am Peak angekommen, bekamen wir unser Equipment (alles schon in den perfekten Größen), ein GRAVITY Buffy-Tuch gegen den Wind das wir sogar behalten durften und natürlich unser Bike. Das wurde erstmal auf uns eingestellt. Meins war das einzig grüne, denn es war das kleinste. So musste ich mir erst gar nicht die Namen der ganzen Bikes merken, sondern einfach nur die Farbe, ganz praktisch. Jetzt war erneut Zeit für genauere Hinweise zum Mountainbiken und zur Sicherheit. Die Strecke war insgesamt 63 km lang. Die ersten 32 km düsten wir jedoch erstmal auf asphaltierter Straße. Und das war gut so. Denn ich musste mich erst an diese andere Art von Mountainbike gewöhnen. Die Fahrräder waren aber einfach nur genial, das kann ich jetzt wirklich schon sagen. Am liebsten hätte ich es am Ende in die Tasche gesteckt und mit nach Hause genommen. Eine Sache musste jedoch noch vor dem Start erledigt werden: die Opfergabe an die Pachamama. Das war mal wieder dieser hochprozentige Alkohol den wir rechts und auf das Rad kippen mussten. Wer wollte konnte noch einen Schluck davon nippen. Ich habe freiwillig darauf verzichtet. Musste ja schließlich noch die Death Road runter.
Nach bestimmten Abschnitten wurde immer wieder gehalten, um die Gruppe wieder einzusammeln, Fotos zu machen, beziehungsweise die Arme und Beine auszuruhen. Auch bekamen wir hin und wieder Tipps, wie zum Beispiel dass wir in einer Kurve immer das innere Bein mit dem Pedal nach oben bewegen mussten oder uns wie ein Chicken aufblähen sollten, um mehr Gewicht auf das Vorderrad zu bekommen. So sollten wir nicht ganz so sehr nach links und rechts wackeln. Ich muss sagen das funktionierte erstaunlich gut. Es war immer entweder Noel oder Rodriguez ganz vorne an der Spitze der Gruppe, beziehungsweise am Ende. Der Van begleitete uns auch jederzeit und fuhr direkt hinter uns. Also wenn jemand etwas gefehlt oder die Kondition nicht ganz ausgereicht hätte, wäre es möglich gewesen in den Van reinzujumpen und ein Stück im Auto zurückzulegen. Rodriguez war auch unser Paparazzi. Er machte von der Strecke, Natur und natürlich von uns tausende von Bildern. So konnten wir uns komplett auf den Weg und das Fahren konzentrieren und mussten uns nicht nur um gute Instagram Fotos bemühen. Leider kann man trotzdem gar nicht so prima die unglaubliche Landschaft genießen, da die ganze Konzentration wirklich nur dem Weg vor einem gewidmet ist. Kurz bevor die wirkliche Death Road los ging, kamen wir an einem Drogen Checkpunkt vorbei. Denn die Death Road befindet sich in der Region “Las Yungas” wo extrem viel Coca angebaut wird. Bolivien und Peru sind ja die einzigen Ländern in denen der Anbau und Verkauf legal ist. Um die Droge aus den Cocablättern herzustellen, braucht man extrem viele Kilos. In einem Blatt ist nur 1 % für die Droge verwendbar. Deswegen ist der normale Konsum der Blätter erlaubt. Kein Mensch kann kiloweise Cocablätter in sich hineinstopfen. Trotzdem werden die ganzen LKWs, beziehungsweise Transporter ständig gecheckt, damit sie nicht noch irgendeinen anderen Quatsch rumschmuggeln. Wir harmlosen Fahrradfahrer wurden natürlich nicht auf Drogen untersucht.
Bevor wir jedoch die Todesstraße beginnen konnten, wurden wir ganz bequem mit dem Van 8 km bergauf zum Ausgangspunkt gefahren. Denn die Fahrräder sind einzig und allein für downhill geeignet. Und wir wollten ja nicht schon komplett fertig an der Death Road ankommen. Die ganze Energie hoben wir uns lieber für die auf. Im Van wurden auch erst mal leckere Bananen und Schokolade zur Stärkung ausgeteilt. Wir hatten ja schließlich schon 32 km geschafft.
Ich traute meinen Augen einfach nicht. Wir waren nur 8 km gefahren und plötzlich war nur noch Nebel um uns herum. Noel erklärte uns, dass es immer so ist, da wir dem tropischen Klima immer näher kämen. Der Wechsel der Wetterbedingungen, beziehungsweise der Landschaft ist auch das was ich so unglaublich an dieser Abfahrt finde. Ganz oben breitet sich die ganz normale Andenlandschaft aus mit mächtigen Bäumen die die Berge bedecken und Lagunen, dann plötzlich dieser Nebel und das feuchte Klima und ganz unten am Boden die Tropen. Dementsprechend waren wir auch zwiebellokmäßig gekleidet. Je tiefer wir kamen, umso mehr Schichten warfen wir ab. Das Gute war, dass der Van ständig an unserer Seite fuhr, so dass wir ohne Probleme alles überflüssige hineinwerfen konnten.
So jetzt komme ich mal zur Death Road. Die heißt nicht umsonst so. Sie ist an ihrer schmälsten Stelle nur ganze 3,5 m breit. Für uns als Biker ist das natürlich kein Problem, aber für Transporter, Busse und LKWs ist es fast unmöglich das zu schaffen. Deswegen sind auch früher 200-300 Menschen pro Jahr auf dieser Straße ums Leben gekommen. So wurde der Straße 1996 dieser Name gegeben. Auf der ganzen Strecke sind überall Kreuze und Gedenktafeln vorzufinden. Die machen das Ganze mental natürlich nicht einfacher. Heute gibt es eine weitere Route die nicht ganz so gefährlich ist, weswegen kaum noch Verkehr auf der Death Road herrscht. Aber die Todeszahlen haben nicht komplett aufgehört, denn nun kommen immer wieder Biker um. Meistens ist das selbstverschuldet durch dummes Verhalten, wie zum Beispiel Selfieschießen oder Alkoholeinnahme. Manchmal kann es aber auch daran liegen, dass das Fahrrad auseinanderfällt. Deswegen kommt hier nun die Wahl der Agentur ins Spiel. Es gibt mal wieder unglaublich viele Anbieter von der aber 75 % Schrott und unverantwortlich sind. Zum Beispiel ist 2001 ein hebräisches Mädchen die Klippen hinuntergestürzt, da die Bremsen an ihrem Fahrrad nicht richtig gingen. Bei uns wurden unsere Räder ständig gecheckt und eine Luftpumpewar parat. Aber das war nicht nötig, da die Bikes einwandfrei funktionierten. GRAVITY ist die Agentur die mit den Bikerides auf der Death Road angefangen hat. Dementsprechend viel Erfahrung hat sie und kümmert sich exzellent um ihre Kunden. Ich hab mich während der ganzen Fahrt kein einziges Mal unsicher gefühlt und ich hab es nun wirklich nicht so mit steilen Schotterpisten, großen Steinen und 400 m tiefen Abgründen neben mir. Die Straße ist natürlich nicht asphaltiert, sondern besteht wie gesagt aus lauter Steinen. Man wird die ganze Zeit von Kopf bis Fuß durch geschüttelt. Zum Glück hatten wir alle unsere Sonnenbrillen auf, denn dieser starke Fahrtwind hätte mir sonst nur die Sicht versperrt und dann wäre ich sicherlich im Abgrund gelandet. Auf der Death Road gelten auch andere Regeln, als im normalen Straßenverkehr: wir mussten immer links am Abgrund fahren, so wie all die Autos die von oben kommen. So muss man wirklich genau auf die Spur achten, sonst könnte es mit den Klippen ein bisschen eng werden. Mir tat eine junge Frau in unserer Gruppe total leid. Ihr Freund hat unbedingt gewollt, dass sie mit ihm diese Strecke nach unten fuhr. Sie hasste es jedoch schnell an solchen Klippen entlang zu düsen. Aber auch sie schaffte den ganzen Weg nach unten ohne ein einziges Mal in den Van steigen zu müssen. Es ging durch Flüsse und Wasserfälle, so dass wir alle unten ein bisschen durchnässt waren. Aber zum Glück wurde es immer wärmer, je näher wir dem Boden kamen. Die Death Road endet auf 1100 m in dem Ort “Yolosa”.
Unten angekommen, war ich echt richtig traurig. Jetzt war das Abenteuer schon fast vorbei. Wenn meine Arme von dem ganzen Festklammern nicht so geschmerzt hätten, wäre ich am liebsten gleich wieder nach oben gefahren (natürlich mit dem Van) und nach unten gedüst.
Für mich und einen Typen aus meiner Gruppe war der Spaß für den Tag jedoch noch nicht ganz vorbei. Denn uns wurde angeboten “Zip Line” durch das Tal zu machen. Da GRAVITY die Agentur die das Ganze veranstaltete empfahl und mir GRAVITY sehr verantwortungsvoll vorkam, dachte ich mir dass ich doch das “Flying Fox” mal ausprobieren könne. Es war auch nicht allzu teuer. Davor bekamen wir aber erstmal ein Bier zur Belohnung, beziehungsweise ich ein Wasser, da ich ja Bier nicht ausstehen kann. Außerdem würde jedem von uns das wohlverdienten GRAVITY T-Shirts überreicht. Danach ging es für uns beide auf der Ladefläche eines Gefährts wieder ein Stück die Death Road nach oben, wo der ganze Spaß beginnen sollte. Ich entschied mich für die Superwoman Variante. Das heißt, dass ich wie Superman, nur eben in weibliche Form, durch die Luft flog und hinter mir ein Guide saß, umso das Tempo zu beschleunigen. Außerdem musste ich mich so nicht um das Bremsen kümmern, sondern konnte einfach nur genießen. Der junge Mann wählte die gleiche Variante. Ich hatte ja so etwas noch nie gemacht und konnte es einfach nicht glauben einfach so über das Tal zu fliegen mit all dem tropischen Pflanzen unter mir. Das Gefühl der Schwerelosigkeit ist einfach nur der hammar. Wir durften dreimal durch die Luft schweben. Der längste Part war 750 m lang und der tiefste 350 m. Wir hangelten uns von Hang zu Hang bis wir wieder unten in Yolosa ankamen. Dieser Tag war einfach unglaublich.
In der Zeit wo wir beide unseren Spaß hatten, fuhren die anderen drei schon mal zur “La Senda Verde Resort” eine Art Lodge die sich um ausgesetzte Tiere kümmert. Sie liegt super idyllisch an einem Fluss, abseits vom ganzen Verkehr und nur 2 Minuten von unseren Flying Fox Ort. Dort warteten heiße Duschen und ein Buffet auf uns. Es waren keine anderen Touristen da und das Essen war exzellent. Zum Duschen bekamen wir sogar Shampoo, Seife und Handtücher. Also luxuriöser ging’s ja nicht mehr. Wie gesagt diese Lodge kümmert sich ja um ausgesetzte Tiere, weswegen sich dort in der freien Natur Affen, Gürteltiere, Rehe, Schildkröten und andere außergewöhnlich haarige Tiere die ich noch nie gesehen hatte, herumtrieben. Danach machten wir uns auch schon wieder auf den Rückweg, denn der dauerte ganze 3 Stunden. Wir mussten ja schließlich wieder den ganzen Weg nach oben. Diesmal nahmen wir aber die neue Route und nicht die Death Road. Unser Driver kannte die Strecke zwar in- und auswendig, aber bei diesen vielen Fahrradfahren hätte es einfach nur unnötig viel Zeit gekostet ständig auszuweichen. Wir wurden sogar fast an unserem Hostel abgesetzt, so dass wir nur noch wenige Meter laufen mussten.
Ich bin gerade beim Blog schreiben vor Müdigkeit schon wirklich fast eingeschlafen. Also wenn jetzt mein Bett neben mir stehen würde, dann wäre ich schon längst weg vom Fenster. Auf jeden Fall werde ich diesen Tag in meinem ganzen Leben nie vergessen.