Internationaler Tag der Frau. Dieser Tag wird in Argentinien extrem stark gefeiert und ist sehr wichtig. Das sieht man schon daran, dass einem gleich am Morgen in allen WhatsApp Gruppen gratuliert wird. Ich hab es erst überhaupt nicht gepeilt. Als mich dann noch jemand auf der Straße angesprochen hat, habe ich mal nachgefragt. Denn ich hatte ja schließlich nicht Geburtstag und Weihnachten war es auch nicht. Überall auf der Straße wurden Rosen verkauft und Schilder mit der Aufschrift “Día de la Mujer” (= Tag der Frau) verteilt. Heute Abend sollte um 18:00 Uhr ein “Marsch” im Stadtzentrum stattfinden. Da ich noch bis um 19:00 Uhr arbeiten musste, bin ich erst danach zusammen mit meinen Arbeitsgirlies hingegangen. Wir mussten aber gar nicht weit gehen, da der Marsch schon relativ weit fortgeschritten war und fast das Shoppingszentrum Patio Olmos erreichte. Angeblich waren so unheimlich viele Menschen da, dass der Marsch bis zu ihrem Startpunkt reichte und der war einige Kilometer weiter weg. Die Frauen nutzten diesen Tag, um auf sich aufmerksam zu machen. Denn in Argentinien wie die Frau immer noch sehr stark benachteiligt und unterdrückt. Auch wenn man das als Außenstehender nicht ganz so mitbekommt. Die Plakate waren mit den verschiedensten Aufschriften beziehungsweise Forderungen beschriftet. Jedes zweite schrieb “NI UNA MENOS” (= Nicht eine weniger), bezogen auf den täglich vorkommenden Feminizid. Andere forderten “SALARIOS DIGNOS” (= Angemessene Löhne), “NO A LA VIOLENCIA INFANTIL” (= Nein zur Gewalt an Kindern), “SIN CLIENTES NO HAY TRATA” (= Ohne Klienten gibt es keinen Handel), “VIVAS NOS QUEREMOS” (= Lebe wir lieben uns), JUSTICIA LENTA NO ES JUSTICIA (= Langsame Justiz ist keine Justiz), LIBERACIÓN DEL ABORTO” (= Legalisierung der Abtreibung) und vieles mehr. Es wurde getrommelt; typische argentinische Marschmusik gespielt; getanzt, mithilfe choreografischer Schritte (die Tänzer waren immer eine rot gekleidet), und Protestgeschrei. Ich hab noch nie eine so unfassbar große und euphorische Demonstration gesehen. Ich sag jetzt mal Demo, weil das eigentlich nicht mehr als einfacher Marsch gelten kann. Wir standen erstmal nur daneben und beobachteten, weil wir noch auf Freunde von einer Arbeitskollegin warten sollten. In der Zeit hab ich dann sogar Janne in der Menschenmenge entdeckt. Ich wusste zwar, dass sie auch vorhatte herzukommen, aber ich hätte nicht gedacht dass ich sie diesen Haufen voller rumtanzender Leute treffen würde. Da sie aber auch mit Arbeitskollegen unterwegs waren, habe ich ihr gleich wieder Lebewohl gesagt.
Während wir warteten, unterhielt ich mich, soweit das bei dem Krach möglich war, mit Farbi und Vicky (u.a zwei Mädchen aus meiner Arbeit) über die Situation der Frau in Argentinien beziehungsweise Macris Politik. Sie erzählten mir, dass hier 1/3 der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben würden. Ich konnte es nicht glauben, als sie meinten, dass sie dazu gehörten. Klar, ich wusste, dass sie jetzt keine Millionäre waren. Aber ich hätte nicht gedacht, dass sie so sehr mit dem Geld zu kämpfen haben. Sie arbeiten 4 Stunden am Tag fünf mal pro Woche und verdienen 4350 Pesos pro Monat. Das sind nicht einmal mehr 300 €. Davon müssen Sie die Miete bezahlen, Elektrizität und Wasser (Dienste, die seit Macris Amtsantritt extrem in die Höhe geschnellt sind), Essen und was halt sonst noch so zum Leben dazugehört. Hier gibt es zwar einen Mindestlohn (12000 Pesos pro Monat für 8 Stunden arbeiten, fünf mal die Woche), aber der ist nur Theorie. Jede Firma kann für sich entscheiden wie sie das mit dem Lohn handhabt. Obwohl sie von PROA nur so wenig Geld erhalten, arbeiten Sie in weiß und nicht schwarz. Javier hat seit einer Woche kein Internet mehr und ist nicht zu erreichen, da er sich das Guthaben nicht mehr leisten kann. Er muss erst wieder darauf warten, dass er sein Gehalt bekommt. Aus diesem Grund sind sie alle (also aus meiner Arbeit alle) Anhänge der Kirchner-Ära, die sich im Gegensatz zu Macri (rein an der Wirtschaft interessiert), um die soziale Belange ihrer Bürger gekümmert hat. Macri wollte den heutigen Tag und weitere Feiertage komplett verbieten. Sie seien hinderlich für die Ökomomie und damit würden sich die Argentinier zu sehr an ihren Wurzeln orientieren, statt Richtung Europa zu blicken. Bis jetzt bin ich meistens immer nur Leuten begegnet die komplett gegen Macri und seine Politik sind (Belu und Martina ausgeschlossen, was wohl daran liegt, dass ihre Eltern Besserverdienende sind, da kümmert es sie nicht so sehr ob die Strompreise höher oder niedriger sind). Da frage ich mich echt, wie es Macri zum Präsidenten geschafft hat. Vicky meinte dazu, dass das so wäre, da Provinz und Stadt BA extrem konservativ sind und alleine aufgrund ihrer Bevölkerungszahl die Wahl fast immer schon entscheiden würden. Córdoba City ist anscheinend auch relativ konservativ im Gegensatz zum Rest der Provinz.
Um wieder zurück zum Tag der Frauen zu kommen, fast jede Frau der Stadt hat sich an dem Marsch beteiligt. Im Buenos Aires war das nicht anders. Tausende von Menschen nahmen an der Bewegung teil. Dort kam es sogar soweit, dass von einer Gruppe, von ungefähr 50 Leuten, die Kathedrale am Hauptplatz “Plaza Mayor” stürmten, um gegen das Verbot von Abtreibung zu protestieren. In Córdoba ist jedoch alles extrem friedlich verlaufen. Am Zielpunkt des Marsch, dem Patio Olmos, wurde Choripan (Wurstsemmeln) und Bier verkauft. Außerdem war dort eine große Bühne aufgebaut auf der verschiedene Musikgruppen aufgetreten sind. So wurde der Tag noch stundenlang bis in die Nacht weitergefeiert.
PS: Ich habe hier zwar relativ gegen Macri geschrieben (da das die überwiegende Meinung der Cordobesen ist), aber generell ist er definitiv besser für Argentinien als die Kirchners (zu viel Korruption und Abschottung).