Da ich am Montagmorgen Buenos Aires mit schwerem Herzen verlassen muss, Córdoba wartet auf mich, brauche ich unbedingt ein Busticket. Zuerst dachte ich, ich könnte das Ganze im Internet erledigen, aber dem war nicht so. Denn das System akzeptiert keine ausländischen Kreditkarten. Deswegen musste ich wieder ganz in den Norden nach Recoleta. In BA gibt es anscheinend nur einen Busbahnhof. Da ich gestern, von Recoleta 3 Stunden nach Hause gebraucht habe, wollte ich die Wanderung heute nicht noch einmal wiederholen. Aus diesem Grund dachte ich, ich könnte mir doch mal eine U-Bahn Fahrt gönnen, die nennt man hier übrigens “SUBE”. Die Frau am Ticketautomaten war erstmal extrem unhöflich. Sie sagte sie bräuchte AR$ 25 von mir und hat mir dann eine Plastikkarte durch den Schlitz geschoben. Ich wollte schon gehen, weil ich dachte das wär mein Ticket, aber nein ich hatte gerade nur die Karte an sich bezahlt. Ich rechnete schnell aus wie viele Fahrten ich brauchen werde und gab ihr dann das Geld (AR$ 40 für vier Fahrten). Zum Glück hatte ich mich für die U-Bahn entschieden, denn das Spektakel was sich mir dort bot, hätte ich auf keinen Fall missen wollen. Kaum hatten sich die U-Bahn Türen geschlossen, fing es auch schon an. Zuerst kam ein junger, etwas rundlicher Mann herein und fing an auf den Schoß der Fahrgäste Süßkram zu legen, dabei redete er noch irgendeinen Unsinn. Dann ging er einfach weiter und ich dachte mir, dass er heute einen großzügigen Tag hat und Sachen herschenkt. Aber nein, ich bin in Argentinien, hier gibt es nichts kostenlos, jeder kämpft um sein Überleben. Er kam gleich wieder zurück und packte die Sachen, die er gerade eben auf den Schoß der Fahrgäste gelegt hatte, wieder ein. Kaum war der Mann ein Abteil weiter, wanderte schon der Nächste an mir vorbei. Dieser hatte keine Süßigkeiten dabei, sondern eine E-Gitarre und einen Lautsprecher. Zwei Sitze weiter legt er sein Equipment ab und begann “Life is life” zu spielen. Er hatte noch nicht einmal die ersten zwei Zeilen vollendet, als schon eine neue Person kam. Diese brauchte allerdings ein bisschen länger, denn sie war blind unterwegs und hangelte sich an den Stangen entlang. Der alte Mann tat mir unglaublich leid, vor allem da er hier, trotz seines schlechten gesundheitlichen Zustandes, keinerlei Unterstützung vom Staat erhält. Doch leider konnte ich mir mein Lachen absolut nicht verkneifen, denn ich hatte so ein Schauspiel noch nie erlebt. Ich kam mir vor wie eine Mode-Bloggerin neben dem Laufsteg, in erster Reihe sitzend, auf der Fashion Week. Da ich aber noch ein paar Stationen vor mir hatte, wurde ich weiter unterhalten. Der Nächste, ein ungefähr 18-jähriger Junge, hatte sich etwas ganz Spezielles einfallen lassen. Sein Sortiment bestand aus Glassichtfolien für die U-Bahn Karte. Und das war es noch nicht. Die waren nämlich, wie gesagt, ganz besonders. Man musste seine U-Bahn Karte einfach nur hinter die Folie halten und, tatarada, die Buchstaben wurde vergrößert! Was für eine Innovation… Auch dieser über aus nützliche Gegenstand wurde wieder auf die Schöße der Fahrgäste gelegt. Ich blieb, zum Glück, auch dieses Mal verschont. Und nein meine Lieben, das war noch nicht der letzte Programmpunkt. Es gab aber erst mal eine kleine Pause. Währenddessen konnte ich meine Mitfahrer beziehungsweise Mitfahrerinnen genaustens betrachten. Diesmal brachte mich der Typ gegenüber von mir zum Lachen. In seiner linken Hand hielt er einen Mate Tee, das argentinische Nationalgetränk. Eine Art bitterer Tee, der mit einem Metall in dem Trinkhalm (Bombilla) meist aus einem hohlen Kürbis getrunken wird. Aber das Lustige war, dass er in seiner anderen Hand eine Thermoskanne aus Plastik in XXL hatte, mit der er alle 5 Sekunden neues Wasser in seinen Mate Tee schüttete. Ach ja und bevor ich es vergesse, gefühlt fast alle Argentinierinnen tragen Schuhe mit einer mindestens 8 cm dicken Schuhsohle. Die U-Bahn Fahrt hat das auch mehr als bestätigt. Ich weiß leider nicht wie man diese Art von Schuhen nennt, auf jeden Fall finde ich, sieht es furchtbar klobig aus. Normalerweise würde ich so etwas als Fashion-Unfall bezeichnen, ich möchte jetzt aber nicht den Modegeschmack der Argentinierinnen kritisieren. Es gab noch so unendlich viel in der U-Bahn zu entdecken, jedoch war die Pause vorbei. Zur Abwechslung kam nun eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm. Sie redete wie wild irgendetwas unverständliches auf Spanisch, von dem ich nur die Wörter “Geld”, “brauche Essen für mich und mein Kind”, “Hilfe” und unendlich oft “bitte” verstanden habe. Da jedoch keiner eine Regung gezeigt hat, ging die Frau mit Kind ganz schnell ins nächste Abteil weiter, um dort ihr Glück zu versuchen. Das Beste war, dass alle “Darsteller” von der gleichen Richtung kamen, als ob das Ganze abgesprochen gewesen wäre, was es aber natürlich nicht war. So wer schaute sonst noch so alles vorbei? Nun war die Person wieder männlich. Diesmal bekam auch ich sein Produkt auf den Schoß gelegt. Es waren Haarklammern. Die hätte ich an sich auch gar nicht so schlecht gebrauchen können, aber die hätten nur wieder unnötig Platz im Rucksack weg genommen, außerdem habe ich auch mehr als genug dabei. Deswegen musste ich ihm die Haarklammern, so leid es mir tat, wieder zurückgeben. Ich war echt traurig als ich aussteigen musste. Ich hätte zu gerne gewusst was die Nachfolgenden noch im Angebot gehabt hätten.